Direkt zum Hauptbereich

Chapeau, Monsieur Cem Özdemir

Er ist also doch kein reiner Opportunist unser Herr Özdemir, und er hat noch Augen für die Realitäten auf Deutschlands Strassen:

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir warnt davor, antisemitische Tendenzen bei Muslimen in Deutschland als Problem zu unterschätzen. Die Vertreter der muslimischen Verbände müssten "klare Kante" zeigen und betonen: Wer sich gegen Juden und das Existenzrecht Israels stelle, "der kann nicht Bündnis- oder Gesprächspartner sein" [...] "Insbesondere die Multiplikatoren der Einwanderer-Communitys dürfen zum Antisemitismus in den eigenen Reihen nicht schweigen", sagte Özdemir der "Frankfurter Rundschau". Die muslimischen Verbände müssten "klare Kante zeigen" und jene als Gesprächspartner ausschließen, die sich gegen Juden und das Existenzrecht Israels stellen.
Insbesondere bei männlichen arabischen, türkischen und kurdischen Jugendlichen seien antisemitische Denkweisen verbreitet. Nach Einschätzung Özdemirs identifizieren sich türkische Jugendliche mit den Palästinensern, weil sie vielfach auf Identitätssuche seien und "sich in dieser Gesellschaft als marginalisiert empfinden". So zeigten sie "eine Überidentifikation mit dem Konflikt im Nahen Osten". [...]

Niemand anderes als er, Herr Özdemir, hätte es meines Erachtens so sagen können und dürfen. Hätte jemand anderes es so gesagt, hätte sie oder er sich gleich wieder mit Rücktrittsforderungen auseinandersetzen dürfen. So, von Herrn Özdemir geäußert, versteht es Gott sei Dank jeder auch genau so wie es zu verstehen sein sollte. Cem Özdemir hat es gesagt – und er hatte die Wahl; dafür, dass er es gesagt hat, Chapeau!

Jetzt muss nur noch jemand auf die weiteren – originär deutschen - Gefahren von Rechts hinweisen: Aber, wie immer, die Politik ist nur gut darin Standardformeln und Standardbekenntnisse von sich zu geben, welche implizit hohl und damit redundant sind; von der aktuellen Realität sind Politiker, wie immer, Jahre weg - so auch in dieser hochbrisanten Angelegenheit: CDs auf Schulhöfen von Gymnasien, Pfadfinder, Gothic-Szene u.v.m..

Das ursprüngliche Problem, das alle irgendwo verbindet, ist die labile Lebenssituation der vorwiegend jugendlichen Menschen: Untersuchungen hatten - beispielsweise - schon in der GUS gezeigt, dass das plötzliche Aufflammen neonazistischer Gruppierungen dort, eindeutig mit den voranschreitenden, großen politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen korreliert gewesen war. In der ehemaligen Sowjetunion herrschte zuvor immer noch das stalinistische Weltbild: Das Land war so riesig, dass kein anderes Land der Erde für den einzelnen Sowjetbürger existierte – es war sowieso unerheblich; Väterchen Stalin – obzwar schon längst tot - wachte über jeden Einzelnen; von der Wiege bis zur Bahre war der Weg klar – und zumeist schlecht – vorgezeichnet. Auf einmal wurden jedoch sogar diese kärglichen und oft genug menschenunwürdigen Verhältnisse unsicher. Genau gegen die somit aufkommende Orientierungslosigkeit versprachen die Rechten – und versprechen die Rechten aller Länder – eine klare (faschistoide) Lösung. Nur, um es kurz zu machen, es wäre den Teufel mit dem Beelzebub austreiben und nichts anderes – in keinem Falle.

Diese Irrungen und Wirrungen sind wohl den meisten Politikern in der einen oder anderen Form auch nur allzu bekannt. Jedoch darüber hinaus sehe und höre ich viel zu wenig von den so genannten Entscheidungsträgern: Die Rechten (Neonazis) sind wieder schwer im Vormarsch (vgl.o.) – und die demokratische Politik hält sich vornehm hinter Phrasen bedeckt.

So gesehen, bin ich äußerst froh, dass Cem Özdemir wieder an verantwortlicher Stelle in Deutschland sitzt und hoffe noch viel mehr Aktives und Erneuerndes von ihm zu sehen und zu hören!

Hermine sagt: Hellau und Alaaf kennen solche Themen gar nicht mehr.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Distress heutigentags

Wer es an die Spitze bringt, auf dem lastet in der Tat ein Leistungsdruck, wie es ihn nie zuvor gegeben hat. Die Informationsflut aus dem Computer überschwemmt ihn, nicht sofort zu reagieren kann tödlich sein, die Kommunikation mit allen Winkeln der Welt fordert ihm höchste Präsenz in jeder Sekunde ab. Obendrein plagen ihn Versagensängste; von Missgunst umlauert fühlt er sich sowieso. Da greifen viele Manager nachts zu Schlaf- und am Tag zu Aufputschmitteln: smart drugs (Muntermachern) oder brain boosters (Denkbeschleunigern, Hirnkompressoren). Erst recht droht ihnen dann über kurz oder lang das Burn-out-Syndrom : das Gefühl, ausgebrannt zu sein, die Depression nach dem Dauerstress - und schließlich der Herzinfarkt, zynisch der Ritterschlag der Leistungsgesellschaft genannt. Dazu natürlich immer wieder die Lust an der Macht, am Status, am Geld, manchmal sogar ein Triumph. Der Sturz eines großen Bosses aber ist besonders tief, mit wie vielen Millionen er auch abgepolstert wäre: Da is...

Junges Vollblut

Im Profi-Schach kommen immer mehr junge Genies auf. Einerseits bedeutet das für die etablierte Garde eine angenehem Abwechslung und (endlich) neue Herausforderungen. Andererseits: Wo kommen die her? Wie geht so etwas? Früher, zu Zeiten von Bobby Fischer konnte man davon ausgehen, dass es sich bei einem so jungen Rekord-Großmeister um eine psychologische Besonderheit handeln musste; es war klar, dass diese wahnsinnige Leistung mindestens eine sehr einseitige Spezialisierung voraussetzte. Wie sich nicht nur bei Bobby Fischer herausstellte, konnte man auch ein psychologisches beziehungsweise soziales Defizit erwarten. Heutzutage erscheinen diese jungen Supergroßmeister erfrischend kommunikativ und mit einem mindestens ausreichenden Maß an sozialer Kompetenz ausgestattet zu sein. Es scheint mir, dass dies die Früchte einer intensiven Computerarbeit sind; die zweite oder gar dritte Welle nach einem Kasparow und einem Leko. Die Schachsoftware und der effiziente Umgang sind heutzutage perfek...