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Streitkultur

(Auf dieses unsägliche Gerichtsverfahren um diesen unseligen Herrn Althaus brauche ich hier nicht weiter einzugehen.)

Streit bedeutet für mich immer Weltuntergangsstimmung! Ich hasse Streit. Das beschäftigt mich immer noch wie lange Zeit danach.

Nun bin ich keiner der in einem Streit rumschreit oder überhaupt schreit. Ich gehöre nicht zu diesen Testosteron gesteuerten Machos. - Aber an dieser Stelle genug des Zynismus.

Mein Problem ist, dass ich im Streit nicht oder doch nur sehr sehr schlecht loslassen kann. Es soll immer um die Gerechtigkeit gehen, und wenn nicht ganz genau definiert wird worum es geht, und wenn nicht wirklich alles aber auch alles geklärt ist, dann kann ich nur ganz schwer aufhören immer weiter und weiter „dranzubleiben“. - Alleine schon das nervt naturgemäß dann mein Gegenüber gewaltig.

Ich fühle mich dann auch immer so ungerecht behandelt, weil ich doch wirklich manche Dinge gar nicht so meine. Zumeist geht es mir eigentlich nur um einen Punkt der mich gekränkt hat, eine Sache in der nicht genug Rücksicht auf mich genommen wurde, ein Gefühl/Bedürfnis mit dem ich nicht ernst genug genommen wurde oder um eine Sache, die ich ungerecht fand usw.. Dann kommt aber – naturgemäß - durch Missverständnis, durch Aufregung oder weil mein Gegenüber es nicht so genau nimmt – weil sie oder er es auch – naturgemäß – gar nicht so schlimm sieht – dann kommt halt eben irgendwie ein Punkt dazu, der „nicht zum Thema gehört“; sodann fühle ich mich falsch verstanden; ich meine es doch gar nicht so böse, es geht mir doch nur um diesen einen Punkt und um nichts anderes darüber hinaus sonst. - Dann wird sich erstmal darum gestritten. Oh weh!

Dann irgendwann, weil ich eigentlich immer noch relativ ruhig bleibe – von außen betrachtet -, wird mir mitgeteilt, ich sei kalt. (Wenn ich dann aber aus Versehen doch mal laut werde, im Sinne von energisch, dann heißt es wieder wie kann ich nur: Der Ton mache die Musik, heißt es dann.)

Dann will ich aber auch immer alles bis ins Detail klären: Wenn mir Personen sehr nahe stehen – und das sind naturgemäß nicht viele -, dann kommt für mich – gleich zu Beginn eines solchen Streits – hinzu, dass ich Angst habe die jeweilige Person könnte mich nicht mehr lieb haben. Das bedeutet für mich instinktiv umso mehr, dass alles geklärt sein muss. Ich will dann immer alles wieder zum Schönen hinreden, und das wird dann wieder falsch verstanden, weil ich mich dann doch wieder so lange an einem Streitthema festhalten würde. Es geht doch schließlich um das Leben, darum dass ich in Frieden und Harmonie mit dieser geliebten Person lebe: wie kann man nur versuchen meine Gefühle und Bedürfnisse nicht ernst zu nehmen, wie kann man nur sagen: Ja, ja, stell Dich mal nicht so an; wie kann man nur von mir denken, dass ich negativ denke oder fühle; wie kann man nur von mir denken, ich wolle jemanden qua meinen Gefühlen oder Bedürfnissen übervorteilen usw..

Ich sollte vielleicht das alles nicht so persönlich nehmen; ich sollte vielleicht einfach mal darüber stehen und mir sagen, dass das alles nicht so ganz so wichtig ist. Dann stellt sich für mich aber immer die Frage, wenn mich im Grunde genommen nicht mehr so interessiert, was geliebte Personen von mir denken oder wie sie mit mir umgehen, was soll mich denn bitteschön dann überhaupt noch interessieren? Ich kann doch nicht abstumpfen. Ich kann mir doch nicht ständig sagen, ach komm es gibt Schlimmeres.

Ich kann aber auch nicht mehr Gefühl in Streits legen. Ich habe gelernt mich im Streit zu verkrampfen. Ich dachte eigentlich es wäre mal ein Fortschritt gewesen, dass ich mich im Streit auch mal bewegen – wirklich körperlich bewegen – kann, und dass ich auch sogar mal kurz laut, im Sinne von energisch, werden kann. Ich denke aber, dass dem nicht so ist. Ich habe – leider – gelernt, mich im Streit äußerlich ruhig zu verhalten und dann aber – wieder: leider – sehr zynisch und verletzend zu sein. Seltenst im Sinne von Schimpfwörtern; eher – und das ist leider das Vertrackte –, indem ich durch meine Hypersensibilität dazu in der Lage bin, genau „den Punkt“ des Gegenübers zu treffen. Wenn ich es mir zu Gute halten will, dann sage ich so: Ich bin dann irgendwann einmal so verletzt, dass ich nur noch diese verletzende Möglichkeit sehe, mich vor dem Gegenüber und dessen Attacken zu schützen – nachher, sollte es zu einer Trennung im Bösen kommen, tut es dann nicht so weh, ist wohl der Schutzgedanke dahinter? - Dann lässt sich so ein Streit aber auch naturgemäß nur noch um ein Vielfaches schwieriger aufhalten, als so schon. - Um Gottes Willen!

- So kann so etwas ganz schnell zu einer Endlosspirale von Kränkungen, gegenseitigen Verletzungen, Missverständnissen und so weiter und so fort werden.

Und das ist es, was ich wahrscheinlich mal endgültig zu lernen habe: Es gibt kein natürliches Ende für einen Streit. Es gibt auch keine Streitgewinner oder Streitverlierer (Stichwort: Nullsummenspiel; Watzlawick). Und schon gar nicht wird etwas so heiß gegessen wie es gekocht wurde: Ich sollte wissen und zwar wirklich wissen, dass mich die geliebte Person von ganzem Herzen schätzt bzw. liebt – ohne Vorbehalte. Wenn ich dieses Urvertrauen (vgl. Erik Homburger Erikson) habe, dann kann ich in dem Moment, wo ich merke ich nehme etwas (zu) persönlich, ein paar Schritte zurückgehen. Ich kann mir sehr sicher sein, dass es sich bei diesem so persönlich angefasst fühlen mit großer Sicherheit „nur“ um eine Übertragung handeln kann, d.h., verkürzt gesagt, ich regrediere auf Reaktionsmuster aus meiner Kindheit (, die angesichts der dortigen Personen und Umstände tatsächlich ihre Berechtigung hatten). So einfach ist das nicht, aber es wird gehen. Umso wichtiger ist die frühkindliche Erziehung (ein Thema für sich sind übrigens diese mehr als obskuren - eher zwielichtigen - Väterberatungen; aber, naja, ich kann nicht alles in einem Beitrag abhandeln): Echte Liebe; keine Überforderung des Kindes, indem es einem Elternteil psychische Stütze geben soll; Grenzen setzen; Respekt (im klassischen Sinne); natürlich: keinen Missbrauch (psychisches Drangsalieren ist auch Missbrauch!), keine körperliche Gewalt u.Ä.m..

Tatsache ist für mich persönlich: Ein Streit bedeutet für mich Weltuntergangsstimmung. Ein Streit ist von vornherein nicht darauf angelegt irgend etwas zu bereinigen oder zu lösen. Ein Streit hat kein natürliches oder logisches Ende. Wenn ich merke, dass etwas in Richtung Streit geht, ziehe ich mich lieber zurück oder sage, dass ich das nicht möchte und man lieber eine Gesprächspause einlegen sollte. Streitvermeidung, so heißt es, ist auch nicht gesund – aber das ist es mit wert, mir tut Streit viel zu weh. Vielleicht sage ich mir einfach selber, wenn da etwas doch zu einem Streit wurde: Stopp! Es wird garantiert besser, wenn Luft und Zeit dazwischen ist!
Das alles geht nicht von jetzt auf gleich, das muss ich lernen – und das werde ich lernen!

Lit.:
Erikson, E.H.: Jugend und Krise. Stuttgart 19803.

Erikson, E.H.: Kindheit und Gesellschaft. Stuttgart 199110.

Watzlawick, P.: Vom Schlechten des Guten oder Hekates Lösungen. München 198611.

Hermine sagt: Uff.

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