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Führeranhimmler

Menschen, die menschenverachtenden und/oder gewalttätigen Leuten hinterherrennen, können qua ihres Verhaltens unter dem wohlbekannten Stockholm-Syndrom subsumiert werden.

Was heißt dieser gekonnt und nicht gewollt gequirlte Satz?

Einerseits: Es gibt Menschen, die herrischen und/oder gewalttätigen Leuten hinterherrennen, sie idealisieren; es gibt Menschen die Menschenverächter anhimmeln.

Andererseits: Es gibt mindestens eine Erklärung und damit sogleich auch mindestens eine Ursache für dieses ansonsten in meinen Augen völlig widersinnige Verhalten.

Warum widersinnig? Weil es für mich absolut keinen Sinn macht, Leuten hinterherzurennen, die mich letzten Endes allerhöchstens als Instrument für zweifelhafte Zwecke ansehen; in der Regel sind für solche Menschen verachtenden Leute Menschen nur austauschbares Material, mehr nicht. Diese Aussage bleibt wahr, auch wenn es nach dem Untergang eines solchen Stockholm-Syndrom-Infizierten Mitläufers womöglich ganz anders klingen mag: Er hätte es so gewollt; dass wir jetzt weitermachen!, oder besonders perfide und als Motivatrionsspritze verpackt: Gefallen für unsere gute Sache. (in den verschiedensten steigerungsfähigen Varianten).

Ich habe zum Beispiel nie begriffen: Warum stehen nicht Millionen gegen ein paar Heinis, die sich erdreisten über andere herrschen(!) zu wollen, auf?

Das heißt, herrschen mit Maß und Ziel wie in einer Demokratie zum Beispiel, ja meinetwegen; aber nicht (be)herrschen(!). Das heißt weiter, erklären kann ich mir das natürlich schon. Es gibt zum Beispiel genügend, auch hinreichend gut belegte Hintergründe in den einzelnen Fällen: Hitler zum Beispiel hat seine endgültige menschenverachtende Schreckensherrschaft systematisch vorbereitet, unter anderem über sein Regime der unberechenbaren SA-Gewaltausbrüche.

Meine (zugegebenermaßen) naive Vorstellung ist nichtsdestotrotz immer noch die, dass es solchen Heinis unmöglich sein sollte zu überleben: sie sind doch immer, immer, immer in der Unterzahl. Die Millionen oder meinetwegen auch nur zehntausend Menschen auf der anderen Seite brauchten sich doch nur einmal zusammentun und dann wäre es aus und vorbei für diese Tyrannen; denn das Ganze, das hier nur anreißbare Thema bezieht sich natürlich nicht nur auf Hitler und Stalin und Mao und Ähnliches. Es betrifft ja auch schon: Bevölkerung und Motorradclubs; Familie, Nachbarn und Gewalt in der Familie; Nachbarn, Bevölkerung, Frauen und Gewalt an Frauen; Bevölkerung und Bankvorstände; ...

Letzten Endes frage ich mich also immer: Leiden wir alle irgendwo unter einer weniger ausgeprägten, nichtsdestotrotz wirksamen Form des Stockholm-Syndroms; weniger ausgeprägt als es bei den zunächst vorrangig thematisierten Extremisten der Fall ist? Waren die Menschen von Damals schon genauso daran interessiert nicht hinzugucken, sich nicht einzumischen wie es den Heutigen nachgesagt wird? Wie kann es angehen, dass solche paar Heinis Gewalt über Menschen erlangen; und wie kann es sein, dass Solche immer wieder ungeschoren, zumindest ohne einstimmiges Echo-der-Vielen davonkommen?

Wenn so ein Stockholm-Syndrom (inklusive der häufig damit einhergehenden Dissoziation) vermittels jahrelanger Arbeit überhaupt löschbar ist, dann könnte doch vielleicht so ein definitives, zu allem entschlossenes, absolut konsequentes Vorgehen der Menge gegen die wenigen Gewalttäter (Drahtzieher sowie Mitläufer) eine Umkehrung des Stockholm-Syndroms bei ebendiesen bewirken: Ein Stockholm-Syndrom evozierendes Ereignis löscht das andere?! So dass sich die Gewalttäter nun für die Richtigen, die Guten, die Nicht-Gewaltbereiten engagieren würden!?

Hermine sagt: Es schneit.

P.S.:
Man fragt sich da als Unbescholtener natürlich sogleich: Droht dann nicht ein Polizeistaat? Wo ist die Grenze, die das Vorgehen der Menge legitimiert?
Ich sage mir dann immer: Die Gewaltheinis interessieren solche Fragen nicht; das ist einer der Gründe für ihren Erfolg.
Und: Die Grenze ist für mich eindeutig Gewalt an und über andere Menschen! Aber wie nun genau lässt sich diese Grenze (darüber hinaus) beschreiben? Auch deswegen habe ich hier gepostet - ich weiß es nicht. Ich mache mir Gedanken.

Hermine pe-esst: Es schneit immer noch.

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