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Prozess Evo DNS Gene

Der biologische Evolutionsprozeß verlief zunächst sehr langsam. Zweieinhalb Milliarden Jahre brauchten die ersten Zellen, um sich zu mehrzelligen Wesen zu entwickeln, und eine weitere Milliarde Jahre, um über die Evolution von Fischen und Reptilien zu Säugetieren zu werden. Doch dann scheint sich die Evolution beschleunigt zu haben. Für den Schritt von den frühen Säugetieren bis zu uns brauchte die Entwicklungsgeschichte nur noch rund hundert Millionen Jahre. Der Grund liegt darin, daß Fische schon die meisten wichtigen Organe des Menschen besitzen und die Säugetiere im wesentlichen alle. Für die Entwicklung von frühen Säugetieren bis hin zum Menschen war nur noch ein bißchen Feinabstimmung nötig.

Doch mit dem Auftreten der menschlichen Spezies erreichte die Evolution ein kritisches Stadium, das in seiner Bedeutung der Entwicklung der DNS gleicht: die Entfaltung der Sprache, insbesondere der geschriebenen Sprache. Sie bedeutete, daß von nun an Informationen auf anderem Wege als dem genetischen - durch die DNS - weitergegeben werden konnten. In den zehntausend Jahren aufgezeichneter Geschichte hat die biologische Evolution keine erkennbare Veränderung an der menschlichen DNS hervorgerufen. Dagegen ist die Wissensmenge, die von einer Generation an die nächste weitergereicht wird, enorm angewachsen. Die DNS des Menschen enthält ungefähr drei Milliarden Nukleinsäuren. Doch ein Großteil der in dieser Sequenz codieren Informationen ist redundant oder inaktiv. Daher umfaßte die Gesamtmenge an nützlichen Informationen in unseren Genen wahrscheinlich nur ungefähr hundert Millionen Bit. Ein Bit Information entspricht der Antwort auf eine Ja-nein-Frage. Dagegen enthält ein Liebesroman vielleicht zwei Millionen Bit Information. Ein Mensch entspricht also etwa fünfzig Kitschromanzen. Eine große Nationalbibliotek kann rund fünf Millionen Bücher oder zehn Billionen Bit enthalten. Die Informationsmenge, die in Büchern weitergegeben wird, ist also hunderttausendmal so groß wie die Menge in der DNS.

Noch wichtiger ist der Umstand, daß sich die Information in Büchern rascher verändern und aktualisieren läßt. Wir haben mehrere Millionen Jahre gebraucht, um uns aus den Affen zu entwickeln. In dieser Zeit hat sich die nützliche Inforamtion in unserer DNS wahrscheinlich nur um einige Millionen Bit verändert. Damit hat die biologische Evolution im Erbgut des Menschen Veränderungen von ungefähr einem Bit pro Jahr bewirkt. Im Gegensatz dazu erscheinen jedes Jahr rund fünfzigtausend neue Bücher allein in englischer Sprache, die vielleicht hundert Milliarden Bit Information umfassen. Natürlich ist der größte Teil dieser Information Müll und ohne Nutzen für irgendeine Lebensform. Trotzdem ist das Tempo, mit dem nützliche Informationen ergänzt werden können, millionen-, wenn nicht milliardenfach höher als die DNS-Änderungsrate.

(a.a.O., S.216f.)

Lit.:
Hawking, S.: Das Universum in der Nußschale. München 2003.

Hermine sagt: Bitte sehr.

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