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Stolz sein auf Erreichtes

Ich kann ja wirklich stolz sein auf das bisher Erreichte in meinem Leben:
  • ich ernähre mich gesund
  • ich helfe sehr gut im Haushalt mit
  • unser Auto gehört uns
  • meine Frau liebt mich vorbehaltlos und wertschätzend
  • abgeschlossenes Studium als einer der Besten meines Abschlussjahrgangs; und zwei abgeschlossene Zusatzausbildungen
  • jeder hat seinen Hobbyraum
  • ich bin höchst intelligent
  • eine wunderbare Frau, die ich – inkl. Evolutionsstufen natürlich – noch genauso liebe, bewundere und respektiere wie ganz zu Anfang unseres Kennenlernens
  • ich mag meinen Beruf und er ist sinnvoll
  • ich sehe – immer noch - gut aus
  • ich habe den Pokal unseres Schachvereins gewonnen
  • ich habe die bisherigen Tiefschläge meines Lebens überlebt und gut verarbeitet
  • trotz so einiger Versuche, hat es der entsprechende Jemand nicht geschafft meinen Willen zu brechen
  • ich rauche seit vielen Jahren nicht mehr – und fange gewisslich nicht wieder damit an (ich entwickle mich eher – wie es bei so vielen mit einer Rauchervita ist – zu einem wenig gefürchteten militanten Nichtraucher):

Na ja und so Vieles und so Manches noch mehr; ich könnte hier wirklich in völlig unverfroren narzisstischer Art und Weise fortfahren - und es würde mir Spaß machen.

Und doch – ich darf nicht gewinnen! Oder besser: ich darf nicht gewinnen ohne mindestens einen kleinen Obolus zu entrichten. Ein kleiner Obolus ist irgendwie falsch dargestellt: Es geht darum, dass, wenn ich z.B. eine Schachpartie gewonnen habe – das ist recht plastisch; es könnte auch irgendeine andere Mikrohandlung meines Lebens betreffen -, darf ich erstens nicht darüber unverhohlen jubeln, ich muss z.B. etwas negatives an meinem Spiel finden oder sogar trösten oder sogar sagen, dass der andere Spieler ja nächstes mal wieder zu seiner alten Form gefunden haben wird, was mir einen neuerlichen Sieg dann sicherlich nahezu unmöglich machen wird (das ist ja für den anderen auch nicht gerade angenehm!); zweitens lege ich danach mit Sicherheit eine Niederlagenserie hin, die sich sehen lässt – das kann soweit gehen, dass ich die Lust am Schach krampfhaft wieder zurückfinden muss.

Na ja, jedenfalls ist es so: ich darf nicht ungesühnt obsiegen: ich darf mich nicht ungestraft über andere erheben; ich darf nicht zeigen, was ich kann; ich darf nicht so ohne weiteres zeigen, das ich in vielen Punkten besser bin, mehr drauf habe als andere: Es ist zum Kotzen!!

Aber – wer sagt, dass ich nicht gewinnen darf? Ich doch nicht. Wer? Es stimmt, es wurde mal in meinem Leben betont; es war darauf angelegt meinen Willen zu brechen!
Aber – heutzutage soll sich doch mal irgendjemand erdreisten meine Leistung, mich, mein Können und meine Erfolge unangemessen negativ zu kritisieren oder gar in Frage zu stellen: Unmöglich!!
Also stehe doch höchstens nur noch ich mir selbst im Wege. Das oben skizzierte und mein hier thematisiertes Verhalten laufen nämlich in den entsprechenden Situationen (Mikrohandlungen) reflexartig – und von daher nahezu völlig unreflektiert – ab. Ich werde also einen Weg finden mich für Siege eben für Erreichtes auch im Kleinen zu loben – zu Beginn dieser neuen Karriere werde ich mich bestimmt auch mal überschwänglichst loben, es wird bestimmt auch leider mal so sein, dass die involvierte(n) Person(en) sich betroffen die Augen reibt. Es ist wie immer im Leben: Neues muss sich erstmal einpendeln, einbalancieren – da kann ich erstmal nich´ für: Das wird schon. Ich muss nur (auch neu) lernen, dass es gut ist zum Erreichten zu stehen – ich darf auch noch mehr erreichen, das darf ich gerne, ich bin es absolut wert!

Hermine sagt: Guck mal, schön nech.

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