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Verwunderlich

Vor noch gar nicht allzu langer Zeit, gestern, habe ich einen guten Block Fernsehsendungen im WDR gesehen, die einzelnen Beiträge handelten vom Nah-Ost-Konflikt (, in der Wirklichkeit habe ich leider nur so um die achtzig Prozent des gesamten Blocks sehen können).

Die Menschen, sprich die Palästinenser, dort, leben unter den schlimmsten Umständen. Für uns verwöhnte Westeuropäer wäre es, so möchte ich behaupten, geradezu lebensfeindlich. Die Kinder und Jugendlichen, eigentlich Schüler, um die es in einem der Beiträge vorwiegend ging, mussten unter den übelsten und vor allen Dingen bedrohlichsten Bedingungen ihrer Schulpflicht genüge tun, um sich für ein einigermaßen angenehmes Leben Chancen ausrechnen zu dürfen, um sich wenigstens die Illusion einer Gestaltungschance für ihr eigenes Leben zu erhalten. Und alle interviewten beziehungsweise näher betrachteten Schüler zeigten immer noch einen Lebenswillen, ja einen Lebensoptimismus in den Augen, es war für mich unfassbar; auch unfassbar positiv anrührend.

Ich bin nun wirklich kein Freund arabischer Lebensanschauung, angefangen beim für mich so überaus hitzigen Temperament bis hin zur Nichtanerkennung von Frauen als vollkommen gleichwertige menschliche Geschöpfe, aber so wie dieser ganze Nah-Ost-Konflikt und die (politische) Historie in den erwähnten Beiträgen, und aber auch in, im Vergleich dazu, Miniberichten von orts- und lagekundigen Bekannten meinerseits, geschildert wurden, haben die Palästinenser und die anliegenden arabischen Staaten (mit Abstrichen) gar keine andere Wahl als so zu handeln, wie sie nun schon mal seit Jahrzehnten handeln.

Das Verwunderliche - um auf meinen Titel zu kommen – für mich ist nun einerseits natürlich dieser von mir bereits in Ansätzen geschilderte unfassbare Lebenswillen der palästinensischen Menschen, zweitens hingegen dieses schiere Nichtstun der Völkergemeinschaft angesichts der in den Beiträgen gezeigten Zustände:
Seit Jahrzehnten leben Palästinenser – immerhin die eigentlichen Bewohner der Gegend, um nicht sagen zu müssen die Ureinwohner des Nahen Ostens – wie zwangskaserniert in Lagern. Um zur Arbeit zu gelangen, müssen sie diverse israelische Sperren passieren, und sie müssen sich dabei jedesmal zum großen Teil entwürdigenden Leibesvisitationen unterziehen; die Kontrollen an unserer ehemalige Zonengrenze waren vergleichsweise dazu, so man es denn überhaupt vergleichen kann und sollte, ein Witz – wer das jemals mitgemacht hat, weiß von welchen Gefühlen ich spreche und kann sich ein ungefähres Bild machen. Ein Mädchen besucht, neben ihren schulischen Pflichten, zweiwöchentlich ihren im israelischen Gefängnis inhaftierten Bruder, nur sie darf ihn besuchen, und sie ebenso wie andere weiblichen Besucher müssen sich Leibesvisitationen unterziehen und sich meist dazu noch nackt ausziehen - und das als Palästinenserin.

Ich könnte mich hier noch weiter über Einzelheiten auslassen, das würde zu weit führen. Ich denke, die erwähnten Fernsehbeiträge sind solche von den wenigen, die ruhig des Öfteren und meinethalben regelmäßig zur Information ausgestrahlt werden sollten.

Es ist so schlimm, das ja auch noch vor dem Hintergrund, dass Israel echte Völkerrechtsverletzungen anzukreiden sind und auch offiziell angekreidet werden, nur kein Mensch und schon gar nicht die viel beschworene Völkergemeinschaft fordert Israel konkret zur Rechenschaft.

Dass Israel eine 600 Kilometer lange Mauer zur Abgrenzung zu feindlichem Gebiet gebaut hat, inklusive irregulären Landzugewinnen, wird über die Medien als Information ansonsten kaum verbreitet. (Dass damals Israel einfach so Land zugesprochen wurde und das im selben Moment Palästina einfach Land per Dekret genommen wurde, fasse ich, auch mit Blick auf die dazugehörende Historie (Tempelberg usw.), irgendwie auch nicht recht.) Dass sich Israel natürlich schützen muss gegen Verletzungen der eigenen Bevölkerung, ist auch klar, aber wie Israel dieses tut, überschreitet meiner Ansicht nach jede Verhältnismäßigkeit – das begünstigt und provoziert geradezu automatisch das Entstehen von militanten arabischen Gruppierungen: Circulus vitiosus.

So kann es doch nie zu einem Frieden oder zu einem Einlenken mit den Palästinensern beziehungsweise Arabern kommen; so stolz wie die Araber allgemein doch immer so gerne sind, und das, mit Blick auf ihre Historie, wahrhaftig nicht immer zu Unrecht.

Dass Deutschland in diesem Fall tunlichst nichts Entscheidendes, und schon gleich gar nichts gegen Israel, sagt, ist verständlich. Aber die Völkergemeinschaft muss sich doch auch mal klar und konkret gegen das eindeutig festgestellte völkerrechtswidrige Vorgehen Israels aussprechen können und dürfen, wenn man da immer nur so auf eine Fraktion, sprich die Palästinenser beziehungsweise die Araber, versucht einzudreschen, dann ist das für mich von vornherein zum Scheitern verurteilt (gewesen).

Die Palästinenser und die betroffenen Araber müssten als vollwertige Parteien anerkannt werden, die volle Rechte haben; rein historisch betrachtet, stehen sie ihnen ja eigentlich auch zu. Ansonsten werden sich die Araber immer wieder diese Rechte und die damit verbundene Emanzipation so einfordern wie sie es nun schon seit Jahrzehnten zu tun pflegen.

Ob das alles so richtig ist, ich glaube schon, ich weiß es nicht. - Schlimm sind die Zustände dort allemal.

Hermine sagt: Lass uns neue Laufschuhchen kaufen gehen.

Kommentare

  1. Zu dem Post kann man viel anmerken. Was mir aber während und nach der Lektüre zuerst durch den Kopf gegangen ist, hatte weniger mit "den Moslems" oder "den Juden" zu tun. Ich habe mich schlicht und einfach gefragt, ob man das Ganze nicht auch einfach als einen "Konflikt" zwischen "reich" und "arm" sehen könnte. Die Grenze zwischen Gaza und Israel ist ja schliesslich nicht die Einzige befestigte "Demarkationslinie", die Welten trennt. Beispiele? Naja: wie wär´s mit dem Schengenraum oder der Grenze zwischen den USA und Mexiko?

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  2. Beim Durchlesen dieses Posts dürfte so ziemlich jeder Leser die Worte „Moslem“ respektive „Islam“ und „Juden“ respektive „Antisemitismus“ automatisch mittransportieren; mit Bedacht habe ich hingegen hier keines dieser Worte benutzt.

    Mir ging es hier tatsächlich zuvorderst um die menschliche Ungerechtigkeit – wie recht häufig in meinen Posts. Dass nämlich die Palästinenser in bitterer Armut und täglichen militanten Repressalien leben müssen und sie so gar keine Chance haben auf ein lebenswertes Leben, geschweige denn in ihrem, ihnen historisch angestammten, Land. Wie immer sind die Kinder und Jugendlichen die wehrlosen, die am meisten darunter zu leiden haben, auch und gerade hinsichtlich ihrer Lebenszukunft. - Das alles wurde meines Erachtens in dem TV-Beitrag des WDR besonders gut aufgezeigt, und zeigte somit „endlich“ mal etwas gegen den Mainstream; obwohl der Nah-Ost-Konflikt, was Medienpräsenz angeht, eher schon einige Abnutzungserscheinungen aufweist, wird im Großen und Ganzen eine Perspektive präferiert (Das ist es wahrscheinlich, was Du meinst, Peter?; vgl.a. folgenden Absatz).

    Tatsächlich läuft Ähnliches leider, leider überall auf der ganzen Welt ab, auch wenn die jeweiligen „Objekte“ nur seltenst im Fokus der Medien sind. Gerade die von Dir, Peter, angeführten Beispiele gehören in diese Kategorie. - Gewöhnung? Form von Zensur? Marktgesetze (der Presse)?, ich kann es nicht klar entscheiden.

    Im aktuell von mir thematisierten Fall spielt nur gerade die Religion wirklich eine prominente Rolle (verschiedene Religionen, die ihre großen, starken Symbole in Palästina bzw. Israel, konkret z.B. in Jerusalem (Tempelberg) verorten; nicht von Ungefähr erscheinen hier Begriffe wie „Heiliger Krieg“ in den verschiedensten Varianten). - Natürlich wird, hier besonders gut nachvollziehbar, „die Religion“ immer mal wieder gerne als Motivation(shilfe) (s. Ideologie; Dogma) hergenommen, um noch die letzten Prozente an Kampfkraft zu mobilisieren, in einem „Kampf: Arm gegen Reich“, wenn ich das mal auf diese Art ausdrücken darf.

    Zum Ende meines Posts wollte ich dann, indem ich einen konstruktiven Vorschlag mit einfließen lasse, einen Hinweis darauf geben, dass man meines Erachtens hier mit Religion nicht weiter kommen wird, sondern man eben gerade da anfangen muss, wo es rein um die Rechte der einzelnen involvierten Parteien geht, so das denn überhaupt realisierbar ist. Auch nach persönlichen Streits, mit anschließender Abstinenz, soll man sich bei einem Treffen der Versöhnung ja nicht die Fehler der Vergangenheit nochmals wieder servieren, darauf herumreiten, sondern man soll an der aktuellen Stelle neu beginnen, und begreifen, und lernen, sich gegenseitig als vollwertige Partner zu respektieren.

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