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Ich und ich

Ich denke, ich bin viel stärker extravertiert, aber auch egozentrischer und zugleich egoistischer als ich bisher glaubte oder, besser gesagt, als ich es mir bisher ein- bzw. zugestehen wollte (oder konnte).

Extraversion, mehr aber noch Egozentrismus und Egoismus (auch: Egotismus) wurden in meiner (kindlichen) Anschauung zum Frevel ausgebaut. Heutzutage erkenne ich mehr und mehr wie gut mir nach außen gewandtes Verhalten tut; wie gut mir aber auch stark ausgeprägter Eigennutz und Eigensinn tun.

Ich weiß mittlerweile auch, weshalb ich bei Leuten, die so zur Selbstdarstellung neigten, eher etwas ungehalten reagierte. Ich war wohl sowas wie neidisch, da ich mir diese im Grunde tolle Eigenschaft der frischen Selbstinszenierung persönlich nie zugestanden hatte. Ich traute mich nicht, weil ich wußte, das es nicht gut war: Ich habe zu helfen, war meine Devise. Ich habe für andere da zu sein; erst die anderen, dann erst ich.

Ich wußte ebenso, dass, wenn ich meinen Kopf zu weit erhob - die Richthöhe lag im ermessen anderer -, dann würde sich das rächen, ich würde bestraft und sozusagen in meine Schranken zurückverwiesen. Mein Gefühl, das ich immer hatte, das mich stets begleitete, war zum Beispiel, dass ich nicht gewinnen darf; zumindest musste dafür ein Ausgleich – in Form von Strafe oder erwiesener Minderwertigkeit – geschaffen werden.

Dabei ist es doch so schön, so ein Triumphgefühl. Vor allen Dingen, wenn es Normalität ist; wenn ein Mensch weiß, dass es im Leben immer Sieg und Niederlage gibt – nichts von beidem ist im eigentlichen Sinne schlecht; alles ist im Gleichgewicht.

Wenn ich allerdings aus einem (psychologischen) Mangel heraus geradezu nach einem Sieg lechze, dann kann es in der Tat fatal werden. Aber so? Ich gewinne, ich obsiege, ich triumphiere und das ist völlig in Ordnung. Ich tue dem oder den Gegenüber nicht weh; sie oder er befindet sich in dem Moment nur in derselben Lage, in die ich früher oder später auch wieder kommen werde. Aber nach Niederlagen verlangen, nur weil ich, gemäß der mir anerzogenen Tradition, nicht gewinnen darf? Nein, das werde ich mir strikt abgewöhnen.

Wie mit allem im Leben: Ich werde die erste Zeit wahrscheinlich schwer über die Stränge schlagen und geradezu süchtig nach Siegen werden; ich werde wahrscheinlich auch (in meinen Augen?) überzogen triumphieren; ich werde die erste Zeit zwar Rückfälle in alte Verhaltensmuster haben, ich werde wohl auch ein unangenehmes Gefühl in mir verspüren: Letzen Endes wird sich gewisslich alles so einpendeln, dass ich damit sehr gut und befreit leben (aufspielen!) kann.

Auch ich habe Anspruch auf meinen Happen von der Welt!

Viel mehr Ich will!, Her damit! an Stelle von Ich darf nicht! oder Darf ich das? oder Bin ich schon dran?.

Ich denke, dadurch, dass ich mehr und mehr meine Extraversion, meinen Egozentrismus (inklusive Egotismus) und meinen Egoismus annehmen kann, werde ich weiterhin neue, zusätzliche (die mir ureigenen) Talente und Fähigkeiten an mir entdecken und begrüßen.

Hermine sagt: Guck mal, ohne Schlüpper.

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