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Organspende II – Organempfänger

Jeder Empfänger eines Organs wird auf eine Warteliste gesetzt. Damit beginnt seine Hoffnung auf einen für seinen Körper passenden Organspender. Dem Mythos des Altruismus steht der knallharte Überlebenswille des auf den Tod eines anderen wartenden Patienten gegenüber. Die Anspruchshaltung, ein Organ zu bekommen, wird immer größer.
[...]Der Organempfänger ist auf den für ihn nützlichen Tod eines anderen Menschen angewiesen. Seinem Körper und seiner Seele werden Leiden über die eigene Krankheit hinaus aufgezwungen, sodass häufig auch psychiatrische Krankheiten auftreten. Daneben erfolgt meist eine lebenslange Behandlung, die das Immunsystem des Körpers zerstört.
[...]Was macht eine Transplantation mit der Psyche eines Menschen? Die Transplantationspsychiatrie spricht von Gedankenverzerrungen und Deliriumzuständen, was als Nebenwirkung der Immunsuppressiva und des Kortisons angesehen wird. Jeder Transplantierte muss beide Medikamente ab dem ersten Tag der Operation lebenslang nehmen. Ein hohes Erregungsniveau und aggressive Reaktionen kommen häufig vor.
Je genauer wir uns mit dem Empfängerpatienten befassen, desto deutlicher zeigt sich, dass eine Transplantation nur eine Verwandlung des Leides bedeutet: Aufgrund der Organabstoßung müssen lebenslang Immunsuppressiva verabreicht werden, die das Abwehrsystem so stark schädigen, dass eine Immunschwäche die Folge ist. Das bedeutet, dass die Patienten für kleinste Infekte anfällig werden, die sie lebensgefährlich bedrohen können. Immunsuppression bewirkt ein Wachstum von Pilzen, Bakterien und Viren. Die häufigsten Todesursachen nach einer Organtransplantation sind Krebs, schwere Nierenschädigungen und Stoffwechselstörungen. In der Werbung für eine Organspende werden der Öffentlichkeit die vielfältigen Komplikationen und Nebenwirkungen einer Transplantation vorenthalten. Viele Patienten erleiden eine oder mehrere Abstoßungsperioden und müssen nicht selten mehrfach operiert werden.
[...]
Die eigentliche ernüchternde Bilanz der Erfahrungen nach dreißig Jahren Transplantationsmedizin entgeht der Öffentlichkeit, weil ihr immer noch eine lebensrettende Funktion zugeschrieben wird:
Wirkliche Heilung kann durch eine Organtransplantation nicht erreicht werden. Nur in den wenigsten Fällen kommt es zu mehr als einer vorübergehenden Linderung von Beschwerden. In der Regel bringt eine Verpflanzung nicht Gesundheit, sondern Lebensverlängerung um einen hohen Preis: Ständige Klinikaufenthalte wegen Bronchoskopien, Blutbildern oder Untersuchungen jeglicher Art stehen den Nebenwirkungen der Immunsuppressiva und des Kortisons gegenüber, was die Lebensqualität eines Transplantierten erheblich beeinträchtigt. Manche müssen gleich mehrfach transplantiert werden. Dann wird das Leben mit sehr viel Aufwand um nur wenige Monate verlängert.
Hinzu kommen häufig gravierende Persönlichkeitsveränderungen, die einen Organempfänger belasten und die als wesensfremd betrachtet werden. Es kann zur Wahrnehmung einer fremden Präsenz im Innern kommen und in kritischen Augenblicken sprechen die Patienten mit dem fremden Organ. Einige berichten nach einer Organverpflanzung auch von völlig wesensfremden Handlungen oder Gelüsten. So kommt es vor, dass überzeugte Vegetarier nach der Operation einen Heißhunger auf Fleisch oder Alkohol entwickeln. Einiges deutet darauf hin, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale des Spenders sich auf den Empfänger übertragen.
(a.a.O., S.46-49.)

Lit.:
Jakoby, B.: Das Leben danach. Was mit uns geschieht, wenn wir sterben. Reinbek bei Hamburg 20086.

Hermine sagt: Nö.

(Fortsetzung von Organspende I - Anbahnung)

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