[...]Der Arzt wiederum darf die Demut und den Respekt vor dem Sterbenden und den Angehörigen nicht gelten lassen, wenn er um eine Organspende bittet. Es verwundert wenig, wenn die Todesnachricht, die in einem Atemzug mit der Bitte um Organspende formuliert wird, bei den Angehörigen auf erhebliches Unverständnis stößt, da diese erst einmal den Tod an sich begreifen müssen.In den Glanzbroschüren der Transplantationsmedizin wird unablässig auf die lebenserhaltende Funktion von Organspenden hingewiesen. Dem als besonders extrem sinnlos empfundenen Tod eines Kindes wird auf diese Weise noch ein Sinn zugeschrieben. In Wirklichkeit hat dieser tröstliche Deal mit dem Tod unter dem Hinweis auf Lebensrettung nur im Augenblick des Schocks eine euphorisierende Überzeugungskraft, weil die Angehörigen einen Moment lang von der Erschütterung über den plötzlichen Tod eines Angehörigen abgelenkt werden. In Wirklichkeit sind sie gerade im Moment der Todesnachricht nicht imstande, eine solch weit reichende Entscheidung zu treffen.Die spätere Begegnung mit dem Wesen, das den Angehörigen auf der Totenbahre präsentiert wird, ist von einer fürchterlichen Fremdheit gekennzeichnet, nebst dem Gefühl von Verunstaltung, sodass dieses Bild oft jahrelang nicht vergessen wird und so massive Schuldgefühle entstehen. Die Trauer wird verdrängt und die Menschen bleiben in ihrem unsagbaren Leid stecken.
(a.a.O., S.45f.)
Lit.:
Jakoby, B.: Das Leben danach. Was mit uns geschieht, wenn wir sterben. Reinbek bei Hamburg 20086.
Hermine sagt: Uff.
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