Ein Eintrag vom Dienstag, 9.Dezember 1941
Sophie Scholl 1921-1943 (Blumberg)
An ihre Schwester Inge [nicht abgeschickt]
Zu Deinem Brief über das Gebet (ich habe das Büchlein von Deutinger noch nicht gelesen, wenn ich´s getan habe, will ich Deinen Brief richtig beantworten, falls es nötig sein sollte). Aber ganz kurz soviel: Ich glaube, daß ich mich damals falsch und ungenügend ausgedrückt habe. Ich glaube, das Vertrauen, das ich damals anführte, hast Du falsch verstanden. Ich meinte damit nichts anderes als seine Sorgen, die man so hochmütig festhält und sich von ihnen niederdrücken oder zur Verzweiflung bringen läßt, einfach in Gottes Hand legen. Es geht mir nicht so einfach damit; denn wenn ich beten will und überlege mir, zu wem ich bete, da könnte ich ganz verrückt werden, da werde ich dann so winzig klein, ich fürchte mich direkt, so daß kein anderes Gefühl als das der Furcht aufkommen kann. Überhaupt fühle ich mich so ohnmächtig, und ich bin es wohl auch. Ich kann um nichts anderes beten, als um das Betenkönnen. Weißt Du, wenn ich Gott denke, da stehe ich da wie ganz mit Blindheit geschlagen, ich kann gar nichts tun. Ich habe keine, keine Ahnung von Gott, kein Verhältnis zu ihm. Nur eben, daß ich das weiß. Und da hilft wohl nichts anderes als Beten.Beten.
(a.a.O., S.365)
Lit.:
Kempowski, W.: Das Echolot. Barbarossa ´41. Ein kollektives Tagebuch. München 20024.
Hermine sagt: Bitte sehr.
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